Ludwig Kottmann
2016 ARTEMIS - 3-Mastbark - Windjammerregatter Brest
Unsere Reise beginnt in Wilhelmshaven. Zum großen Hafenfest sind in der Stadt alle Hotels ausgebucht. Stimmung ist sehr gut - alle Menschen fröhlich. Aber dann gings hinaus aus dem ruhigen Hafen, hinaus in die weite Welt. Und es erwartet uns, zwei Tage und Nächte lang, ein Sturm mit vielen kurzen, aber hohen Wellen. Es ging nicht nur rauf und runter, wir flogen in unseren Kojen in alle Himmelsrichtungen. Die Mannschaft ist spärlich - Kapitän, 2 Steuerleute, 2 Matrosen ein Koch und 2 Mädchen im Service. und 10 Gäste.  Wir sind in die Bordarbeit fest eingeplant - an den vielen Tauen ziehen und festmachen und ordentlich aufrollen.  Wir befinden uns in der Einfahrt von Antwerpen, das Wasser beruhigt sich  und die Sonne scheint. Es sind schon einige Grosssegler in Sicht. Land- gang ist angesagt, wir machen uns frein und erobern die Stadt. Wir haben uns verlaufen und sind die ganze Nacht herumgeirrt - alle Gast- häuser geschlossen, keine Taxis, immer weniger Menschen auf der Straße. Als wir den Hafen erreichten, haben wir unser Schiff nicht mehr gesehen - es war Ebbe und der Laufsteg hing halb an der Hafenwand. Im Hafen liegen Großsegler aus Südamerika, Island und Russland. Einige Gäste gehen von Bord - jetzt sind wir nur noch sechs Pasagiere. Heute früh sind schon einige Grosssegler gestartet und Neue sind gekommen.  Auf gehts zur nächsten Etappe - wir treffen uns alle wieder in Brest. Mal sehen, was uns im Atlantik für Wetter erwartet, mit unserem kleinen 3 Master, 50 Meter lang. Fühle mich wie Kolumbus.   Der Wetterbericht für die nächsten Tage verspricht nichts Gutes. Alles Bewegliche an Deck wird festgezurrt. Ein großes Stagsegel wurde gesetzt - sind die Segel zwischen den Masten.. Das soll das Schiff bei Seegang stabilisieren.   Nacht war ruhig. morgens ein paar Schaumkronen auf den Wellen.  Rechts die Kreidefelsen von Dover, links Frankreich. Viele Schiffe  auf der Schiffs(Auto)Bahn. Die großen Schiffe sind die schnellsten.  Sitzen hinter dem Ruderhaus im Windschatten und genießen ein bißchen   die Sonne   ...  Stunden später: kein Land in Sicht. Wind wird stärker, mehr Schaumkronen  und höhere Wellen. Smutje ruft zum essen. Stimmung  immer noch gut.  ...  Wir dürfen uns nicht mehr duschen - Unfallgefahr  Und Bier sollen wir auch nicht mehr trinken - versuche mal bei Seegang ein  Bier zu zapfen!  Der Atlantik läßt grüßen - warten auf weitere Überraschungen.  Fühle mich noch als Piratenkapitän Kotti mit seiner Seeräuberbraut  Rosi. Ich gehe jetzt in die Koje zum Mittagsschlaf - Rosi ist an Deck  und bestaunt die Wellenberge und -Täler.  ...  Das Wetter beruhigt sich nicht. Schon beim ersten Sturm nach Wilhelmshaven  wurden im Salon die Stühle und Barhocker verstaut. Jetzt müssen wir den  sichersten Zickzagweg zur Kombüse aufgrund des Wellengangs mathematisch  berechnen. Selbst die Zahncreme zur rechten Zeit auf die Zahnbürste zu  platzieren, ist ein Problem.  Wir kuscheln uns beide in die untere Koje und hören das donnern der Wellen am  Bug. Ich träume, mit Rosi und diesem Schiff auf einer Südseeinsel zu stranden   und glücklich bis zum Ende unserer Tage dort zu bleiben.  ...  Morgens: die See ist ruhig, kleine Wellen plätschern an die Bordwand und man sieht ein bißchen die Sonne.  ....  Alle verfügbaren Männer incl. Rosi zum Segel setzen. Weiss jetzt was brassen ist   - alle Rahsegel(Querstangen) an einem Mast auf einmal umschwenken. Jetzt sind  einige Segel gesetzt. Beweisfotos meiner Mitarbeit habe ich keine - mußte ja mitarbeiten.  Auf der SEDOV hätten wir den 120 Kadetten zuschauen können, hier muss man   mitarbeiten, sogar der Koch mußte ran.  Das Schiff hat Schlagseite, das hat zur Folge, dass ein Bein kürzer ist.  Beim Mittagessen gibt es Probleme - der Teller rutscht weg. Eine Hand für den Teller,   die andere für die Gabel.  ...  Abens: es war ein harter Segeltag.   ...  Wir schaukeln auf allen Seiten, obwohl Wind schwach. Langgezogene grosse  Wellen. Breitbeinig schwenken wir im Zickzackkurs  geradeaus. Ist das die  Atlantikdünug????  ....  Mittags: Land in Sicht. Kommen in eine ruhige Bucht. Segler und  Paddler  kommen uns entgegen. Vielleicht legen wir hier an.  ....  Ja, aber nicht im kleinen Hafen, sondern auf Reede. Sind längseits an einem  anderen Grosssegler angedockt., natürlich ein Holländer - herzliche Begrüßung  der beiden Kapitäne. Ein weiterer Großmaster nimmt Kurs in die Bucht.  Die Stühle und Barhocker im Salon werden wieder aufgestellt.  Bier schmeckt. Heute Nachmittag Landgang. Rettungsboot wird zu Wasser  gelassen.  Eigentlich haben Rosi und ich heute Abend Wache, fällt aus wegen Landgang.  Alle sind guter Stimmung.  Der Ort,an dem wir ankern, heißt  Aber Wrac'h.  Laut Wetterbericht erwarten wir morgen hohe Wellen. . Wann und ob wir morgen hier raus kommen, ist noch unklar. Die Menschen sind sehr fröhlich - es sind Bretonen, haben ihre eigene Sprache. Sind so wie die Bayern und der Rest von Deutschland. Am Hafen sind nicht viele Häuser, drei Kneipen und ein Hotel. Die Häuser sind  eng aneinander gekuschelt als ob sie alleine frieren würden.  An den Giebeln sind breite Schornsteine.  Hier ist Hafenfest - Kinderhüpfburg, Künstler und jede Menge essen. Ein paar Männer singen Volkslieder und ca. 50 Leute tanzen spontan Volkstanz. . Wieder geht ein schöner Tag zu Ende.  ...  Ganz ruhiger Schlaf, keine Wellen, kein donnern vorm Bug, können duschen.  Besuchen das Nachbarschiff die"Oostdrschelde" auf und unter Deck noch  mehr Mahagoniausbau, Messingbeschläge und antike Ausstattung ,als bei uns.  ...  Warten auf besseres Wetter.  Wir starten trotzdem, Anker hoch und Richtung Meer. Rechts und links sanfte Hügel, Grasland und kleine Wälder. Der Wind frischt auf und die  Wellen bekommen kleine Schaumkronen. Ein Mann fällt aus- er hat  gestern zu viele Austern gegessen. Mal sehen, was der heutige Tag uns  bringt.  ...  Am Ende der schützenden Bucht passieren wir einen Leuchtturm. Ich träume  mit Rosi dort oben gemütlich zu leben. Aber Frauen denken logisch. Bei dem Geanken an die vielen Stufen war mein Traum plötzlich zu Ende.  Die Wellen werden immer größer, nach ein paar kleinen Wellen kommt eine  Riesenwelle. Am Abend erklärt uns der Kapitän auf, dass die Wellen 8 bis 9  Meter hoch waren. Ungelogen, Rosi kanns bestätigen. Wir kuscheln uns auf dem Mitteldeck auf einer Truhe mit Rettungswesten, die Brecher schlagen seitlich  auf Deck. Die Sonne scheint, Augen zu und mit dieser Atlantikdünug geht  es rauf und runter. Ich träume vor mich hin,  Aus der Kombüse kommt der Duft von gebratenen Zwiebeln und Speck.  ...  Mittag: es gibt Käsespäzle und Salat.  Abend: wir ankern in einer kleinen Bucht auf der Insel Ouessant. Landgang.  Wir  eobern die Insel. Nur Felsen, Farne, Heide und Brombeeren - ein Leuchtturm und ein kleines Dorf. Auf dem Rückweg die einzige Kneipe - und wir die einzigen Fremden.  Drei Männer an der Theke - freundliche Begrüßung - wir trinken Cidre Brut.  ...  Heute früh: Lagebesprechung. Wir starten in Richtung Brest. Ein Delfin begleitet   uns ein Stück. Er hat uns gestern schon begrüßt, Er Ist der Chef dieser Bucht.   Großes Segelmanöver. Komando „all Hands On Bord“. Rosi und ich hissen Rahsegel  am Großmast und anschließend einige Stagsegel. Dazu gehört auch Taue festmachen und den Rest ordentlich aufrollen. Meine Bürohände haben Spuren dieser harten  Seemannsarbeit.  Jetzt wieder faulenzen - See ist ruhig - Sonne scheint.  Schön ist das Seemannleben.  ....  Ich träume von Fredys Quinn`s  „Seemann deine Heimat ist das Meer“- werde wach,   Komando Besan setzen. Ich wieder freiwillig in die Hände gespuckt.. Je höher das  Segel gezogen, desto schwerer wird es.  ...  Das erste Schnellboot mit Fotografen kommt. Flugzeug im Tiefflug über uns.  ...  Zweiter historische Grosssegler in Sicht. Die Kanonen auf uns gerichtet. Wir grüßen mit  Schiffssignal, Antwort drei Kanonendonner. Wir sind noch eine Tagesreise von Brest   entfernt. Freudige Spannung an Bord.  ...  Es werden immer mehr Segel- und Motorboote um uns herum.  Plötzlich kommt ein Hubschrauber im Tiefflug auf uns zu, ohne Türen und jede  Menge Objektive auf uns gerichtet.  ...  Dem Kapitän fällt plötzlich auf, dass ein Segel nicht  gesetzt war.  Kein Problem - wir waren eingearbeitet.   Jetzt wollen wir unser Schiff auch mal von aussen sehen und Fotos machen.   Rettungsboot zu Wasser und wir, ein Hobbyfotograf und ich, steigen bei voller   Geschwindigkeit um und kurven einmal ums Schiff.   ...  Lotze kommt an Bord.  Am Ufer viele winkende Menschen.  Jeder Grosssegler wird separat zum Hafen geleitet.  Man hat das Gefühl auf einem Laufsteg zu sein.  Vor der großen Bucht entsteht eine Warteschlange.  ...  Natürlich waren wir stolz, bin mindestens um 1 1/2 cm gewachsen  Mit dieser Besatzung- 5 Mann Stammbesatzung und uns 6 Gästen.  Davon einer krank in der Koje...  ...  Am Abend Käptensdinner- der Smutje hat seine ganze Kunst gezeigt - noch besser als auf einen Kreuzfahrtschiff. Das Schiff und wir waren eine Einheit, als ob wir schon Jahre dabei waren.  ...  Nächster Morgen: wir müssen von Bord. Eine Firma hat das Schiff  Für einen Tag gechartert. Eine Cateringfirma übernimmt den Service  Und die Stammbesatzung fährt die Gäste den ganzen Tag spazieren,  Natürlich ohne Segel -- wir fehlen doch.  ...  Allein in unserem Hafenbecken liegen 30 Gross-Segler. Wir liegen schon  zu viert nebeneinander. Am Tag kam noch die Krusenstern (Rusisches Segelschulschiff) dazu.   Beim Rundgang entdecken wir in den anderen Becken alle Schiffe wieder,   mit denen wir in Wilhelmshaven und Antwepen zusammen waren.  ...  Es kommt Freude auf, die jungen Mannschaften zu sehen. Erinnerungen   werden wach an meine Zeit vor über 50 Jahren: duschen, Ausgehuniform,  Bügelfalte, geputzte Schuhe und sauberes Taschentuch.  Aber Mädchen bei der Marine, dass gab's zu meiner Zeit nicht.  …  Die ganze Unterstadt um die Festung herum und der Hafen ist abgesperrt -  Eintritt 15 Euro pro Tag. Das Gelände (mehrere km lang) füllt sich mit  Besuchern.  ...  Die ganze Welt trifft sich hier, sogar aus Tahiti (französisch Polinesien)  wo wir im Frühjahr waren. Mexiko und Venezuela sind mit ihren  Schulschiffen vertreten.  ...  Mittags: wir sitzen auf der Bordsteinkante am Straßenrand und essen  Paella.  ....   An verschiedenen Plätzen singen Männer- und gemischte Chöre.   ...  Wir trinken noch ein großes Guinness (und noch eins) und gehen zum Schiff   in unsere Kojen. Rosi oben, ich unten.  ...  Heute sind noch mehr Menschen im Hafen - wie wird es erst am Wochenende  sein ???   Alle 100 Meter eine Liveband. Am Abend wollte ich mit Rosi s c h ö n  Essen gehen , Restaurant mit Tischtuch. Aber vor allen Lokalen lange  Warteschlangen - blieb nur Würstchenbude übrig. Jemand klärt uns auf,  dass heute Nationalfeiertag ist. Gegen 23 Uhr großes Feuerwerk.  ...  Neuer Tag:  Wir erfahren vom Terroranschlag in Nizza.  Unsere Gedanken sind bei denen, die gestern genau so fröhlich waren wie  wir , und das erleben mussten.  Heute ist Stadtbesichtigung angesagt. Die Stadt wurde 1945 von den  Amerikanern völlig zerstört. Haben also nur Nachkriegsbauten gesehen.  Rosi wollte Schoppen- seit Jahrzehnten ein Greuel für mich - wo ich eh  alles habe und nichts Neues brauche.  Im Dom haben wir für unsere Ehepartner eine Kerze angesteckt.  ...  Rosi hat in einer Gegend, wo wir nicht wohnen wollen (farblose Nach- kriegsbauten), ein kleines Lokal gefunden. Der Raum war ca. 5 x 5 Meter  Einfache Bestuhlung; Tische mit Plastikdecke, leere Flasche mit Tropfkerze  Den Cidre gibt es nur in Flaschen. Die Flasche musste man sich selbst  entkorken. Gläser gab's auch nicht, sondern nur Tassen.  Speisekarte bestand aus drei Menüs 6,50 7,50 8,50 Euro  Vorspeise, Hauptspeicher und Nachtisch. Die junge Cheffin hat gleichzeitig  bedient und gekocht. Die Atmosphäre bei den Gästen war völlig entspannt.  ...  Nach dem langen Tagesmarsch 1 Stunde Koje und nochmals raus.  Unser Schiff wird nicht nur für Tagesfahrten, sondern auch für Abendpartys  gebucht..Auf vielen Schiffen spielen Livebands.  ...  Beim bummeln durch den Hafen sind wir an einem Weinstand hängen geblieben.  Wein gut, Winzerin herzlich und die Franzosen beim Wein kontaktfreudig.  2 Mariner in Uniform waren auch dabei.  ....  Um 23 Uhr startet einer nächtlichen Bootsparade historischer Segler und  nochmal Feuerwerk. Hoffentlich sind die Nachtaufnahmen etwas geworden.   ...  Die "Kapitän Borchert" haben wir immer noch nicht gesehen. Es sind einige  von uns in Antwepen auf dieses Schiff gewechselt, die wir hier wieder treffen  wollten.  ...  Allmählich bekomme ich Heimweh nach einem  geordneten Alltag,  Nach, montags zum Computertreff, mittwochs zum wandern und freitags  zum Tanzkreis. Ich freue mich schon auf unser Kuschelhaus und die lieben   Nachbarn. Am schönsten ist es doch im Heimathafen.  Karlheinz und Waltraud werden auch wieder von ihrer langen Reise zuhause   sein und wir haben uns viel zu erzählen und im Hof zusammen sitzen und Wein  trinken.  ...  Dies wird meine letzte Seefahrt sein. Das habe ich vor über 10 Jahren  bei einer stürmischen Skagerraküberquerung und unter vollen Segeln  auch schon geschworen.   ...  In diesem Sinne auf ein frohes Wiedersehen  Eure Rosi und Ludwig